26.11.2014
Von Ralph Rückert, Tierarzt

Seinerzeit waren wir die erste Praxis in der Region, die zwei- bzw. dreijährige Impfintervalle bei Hunden und Katzen umgesetzt hat; jetzt gibt es zu diesem Thema wieder etwas Neues zu berichten:

In den letzten zehn Jahren hat sich das Denken in Bezug auf die Impfungen bei Katze und Hund grundsätzlich gewandelt. Wo ich als Student und als junger Tierarzt noch gelernt habe, einfach jedes Jahr die volle Breitseite an möglichen Impfungen abzufeuern, sind wir heute bezüglich Viruserkrankungen nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO Vet) bei Impfintervallen von drei Jahren angekommen. Aber auch damit impfen wir höchstwahrscheinlich immer noch zu viel. Durch einen neuen Impftiter-Schnelltest, der in der Praxis durchführbar ist, während Sie darauf warten, können wir ab der nächsten Woche beim Hund für Staupe, Parvovirose und Hepatitis und bei der Katze für Katzenseuche und Katzenschnupfen ganz einfach feststellen, ob eine Auffrisch-Impfung überhaupt nötig ist. Als weiterer Vorteil wäre zu erwähnen, dass der Schnelltest nicht nur viel schneller, sondern auch preisgünstiger als die Titerbestimmung im Fremdlabor ist.

Bezüglich des Hundes mögen Sie sich die Frage stellen: Warum nur diese drei Krankheiten? In den üblichen Kombinationsimpfstoffen sind doch noch mehr Komponenten enthalten! Das ist korrekt: Da wären noch Tollwut, Parainfluenza und Leptospirose zu nennen. Den Impftiter für diese drei Infektionskrankheiten zu testen, würde aber keinen rechten Sinn machen.

-Für die Tollwut existieren bindende gesetzliche Grenzverkehrs-Regelungen. Da Hunde meist mit in den Urlaub fahren, kommt man um die Tollwut-Impfung im dreijährigen Intervall nicht herum. Katzen und Hunde, die dagegen definitiv im Inland bleiben, brauchen eigentlich keine Tollwut-Impfung, da Deutschland seit 2008 WHO-anerkannt tollwutfrei ist. Wer ganz vorsichtig sein will, kann ja im Inland verbleibende Tiere als Welpen gegen Tollwut grundimmunisieren lassen und das Thema dann getrost vergessen.

-Das Parainfluenza-Virus ist einer (!) der Erreger der Infektiösen Tracheobronchitis, besser bekannt unter der irreführenden Bezeichnung Zwingerhusten. Ein Hund, der durch Impfung gegen das Parainfluenza-Virus geschützt ist, kann trotzdem noch an Tracheobronchitis erkranken, allerdings mit abgeschwächter Symptomatik. Die Krankheit ist bei gut genährten und gehaltenen Hunden zwar oft sehr lästig (Stichwort nächtlicher Husten), aber nicht wirklich lebensgefährlich. Somit ist das keine Muss-Impfung und eine Titerbestimmung nicht besonders bedeutsam. Allerdings: Wer schon mal eine Infektiöse Tracheobronchitis erlebt hat, ist vielleicht ganz froh über einen wenigstens teilweisen Schutz.

-Beim Thema Leptospirose wird es dann schon deutlich schwieriger. Ein Titer-Test macht auf jeden Fall wenig Sinn, weil diese Impfung keinesfalls länger als ein Jahr schützt. Viele impfkritische Hundebesitzer fürchten diese Impfung ganz besonders bzw. lehnen sie rundweg ab. Das liegt zum einen daran, dass es über 200 Leptospiren-Stämme gibt, der aktuelle Impfstoff aber nur gegen die vier momentan häufigsten schützt. Zum anderen ist die Impfung gegen Leptospirose eine sogenannte Ganzkeim-Vakzine, die aus ganzen abgetöteten Bakterien besteht. Solche Impfstoffe nennt man auch „dirty vaccines“ (schmutzige Impfstoffe). Sie gelten als besonders risikoträchtig in Bezug auf Impfschäden. In der Tat gibt es Hinweise, dass die Impfung gegen Leptospirose mit dem Auftreten von Immunvermittelter Hämolytischer Anämie und Thrombopenie im Zusammenhang stehen könnte. Ein weiterer Grund, dieser Impfung gegenüber ablehnend zu sein, ist die Tatsache, dass die Leptospirose bei vielen Hunden asymptomatisch verläuft, der Hund also nicht erkennbar krank wird, und bei den Hunden, die erkranken, gut mit Antibiotika therapierbar ist. Dies setzt allerdings eine frühe Erkennung voraus. Eine verschleppte oder zu spät als solche erkannte Leptospirose kann sehr wohl tödlich verlaufen. Leider gibt es im Umfeld unserer Praxis immer mal wieder vereinzelte Leptospirose-Fälle, so dass man davon ausgehen muss, dass ein gewisser Infektionsdruck lokal durchaus vorhanden ist. Dazu kommt das Problem, dass die Leptospirose auch für Menschen gefährlich werden kann. Bei keiner Impfung ist die Nutzen-Risiko-Abwägung schwieriger. Ein impfkritischer Besitzer wird wohl selbst eine Entscheidung treffen müssen, ob er gegen die Leptospirose impfen lässt oder nicht. Will man den Teilschutz, den diese Impfung bietet, führt an der jährlichen Nachimpfung leider kein Weg vorbei.

Und bei der Katze? Da gibt es (nur für Freigänger) ja auch noch die Leukose (FeLV)-Impfung. Was ist mit der? Nun, wir wissen zumindest, dass eine gut durchgeimpfte Katze, die älter als sieben Jahre ist, sich offenbar nicht mehr mit Leukose anstecken kann. Wie unsere regelmäßigen Kunden wissen, verhalten wir uns auch entsprechend und verzichten bei älteren Katzen auf diese Impfung. Bis zu diesem Alter empfiehlt die Ständige Impfkommission allerdings eine jährliche Auffrischung. Wahrscheinlich (wahrscheinlich!) fällt auch das unter das Stichwort Überimpfung, aber das kann bisher niemand wirklich belegen, was an bestimmten immunologischen und methodischen Problemen liegt, deren Erörterung hier zu weit führen würde. Bis da Klarheit geschaffen werden kann und angesichts des offenbar im Raum Ulm relativ hohen regionalen Infektionsrisikos, würden wir dazu raten, bezüglich der FeLV-Impfung die STIKO-Empfehlungen einzuhalten.

Zurück zur Impftiterbestimmung: Im Moment wird zur Grundimmunisierung von Katzen- und Hundewelpen empfohlen, ab der 8. Woche in vierwöchigem Abstand zu impfen, bis die 16. Woche erreicht ist, also drei mal (Ausnahmen: Tollwut und Leptospirose beim Hund und Leukose bei der Katze: Jeweils nur zwei mal). Dies gilt als notwendig, weil die eventuelle Anwesenheit maternaler (mütterlicher) Antikörper individuell unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Diese maternalen Antikörper haben natürlich einerseits einen schützenden Effekt für den Welpen, können aber andererseits eine Impfung ganz oder teilweise unwirksam machen. Das dreimalige Impfen zwischen 8 und 16 Wochen soll einen fließenden und möglichst lückenlosen Übergang vom Schutz durch maternale Antikörper zum Schutz durch Impfungen gewährleisten.

Als letzter Schritt der Grundimmunisierung wird eine Auffrischimpfung mit 15 Monaten empfohlen, und hier sehen wir einen idealen Zeitpunkt zum Einsatz des Impftiter-Schnelltests. Es ist nach den vorliegenden Daten durchaus zu erwarten, dass zwar nicht alle, aber doch viele Jungkatzen und -hunde zu diesem Zeitpunkt bereits ausreichend geschützt sind und keine Auffrischung benötigen. Ebenso kann es Sinn machen, ältere Katzen und Hunde, die in ihrem Leben schon öfter nachgeimpft wurden, einfach mal dahingehend zu testen, ob weitere Nachimpfungen in den von der STIKO empfohlenen Intervallen überhaupt notwendig sind. Die von Kollege Ron Schultz bisher ermittelten Daten legen schließlich nahe, dass die Dauer der Immunität (DOI) in Bezug auf die Viruserkrankungen bei über sieben Jahren oder sogar bei lebenslänglich anzusiedeln ist.

Damit wir uns nicht falsch verstehen: Es ist in unseren Augen nach wie vor kein Problem, einfach weiterhin den Impfempfehlungen der Ständigen Impfkommission zu folgen. Wir sehen den Impftiter-Schnelltest als zusätzliches und überaus sinnvolles Angebot für impfkritische Tierbesitzer, die damit die unkomplizierte Möglichkeit haben, den Impfstatus ihres Tieres überprüfen zu lassen und damit nicht unbedingt nötige Impfungen zu vermeiden. In diesem Sinne wird die Verwendung des Tests auch von den beiden großen amerikanischen Kleintierpraktiker-Verbänden ausdrücklich empfohlen. Wir sind selbst ziemlich gespannt auf die Ergebnisse, die sich erst mit der Zeit zu einem Gesamtbild verdichten werden. Unser Nogger ist auf jeden Fall der erste Hund, der in unserer Praxis getestet werden wird.

Bleiben Sie uns gewogen, bis bald, Ihr
Ralph Rückert

Quelle: http://www.tierarzt-rueckert.de/

 

Teilen:
Lesezeit: 9 min