Ein kritisches Wort dazu – oder das muß mal gesagt werden …

Windhundausläufe sind in den letzten Jahren einhergehend mit der Importe von Galgos und Podencos aus dem Tierschutz immer populärer geworden. Aufgrund der Jagdleidenschaft und der hohen Eigenständigkeit dieser Rassen kann ein gesicherter Windhundauslauf für einen Windhund und Podenco eine schöne Möglichkeit und Ausgleich sein, gesicherten Freilauf und soziale Kontakte mit Artgenossen zu genießen. Und für den Windhundhalter bietet sich zugleich die Gelegenheit nach Erfahrungsaustausch und Information mit anderen Windhund- und Podencohaltern.

Allerdings sollte man doch einige kritische Aspekte berücksichtigen bevor man mit seinem Windhund oder Podenco zum ersten Mal einen Windhundauslauf besucht. Die Erfahrung der letzten Jahre hat leider gezeigt, daß es in vielen Ausläufen keine kompetenten Ansprechpartner und Aufsichtspersonen gibt und es immer wieder zu Zwischenfällen von Mobbingattacken und Beißereien gekommen ist. Offensichtlich scheint es mehr schlecht als gut geführte Windhundausläufe zu geben, wo die Anzahl der Hunde einfach deutlich das Maß des akzeptablen übersteigt (40,50 Hunde auf 20.000qm sind eine Zumutung!), gruppendynamische Prozesse der anwesenden Hunde unterschätzt und nicht mehr händelbar sind, Mobbingsituationen nicht unterbunden werden, schnappfreudige Hunde keine Maulkörbe tragen („er will ja nur spielen“) und die Hundebesitzer lieber quatschen und Kaffee trinken statt ihre Hunde zu beaufsichtigen.
Gerade in einem eingezäunten Bereich, wo sich regelmäßig immer wieder die gleichen Hunde aufhalten und sich zwangsläufig Gruppierungen unter den Hunden bilden, entstehen schnell Ausgrenzung gegenüber anderen Artgenossen, Territorialansprüche und Resourcenverhalten. Unsichere Hunde und Neuzugänge können dann erst recht schnell zum Opfer von Mobbing werden, da sie aus Sicht der sich miteinander bekannten Hunde Eindringlinge oder Konkurrenz sein könnten. Anstatt mit dem manchmal erst ein paar Tage zuvor dem Flugzeug entstiegenen frisch adoptierten Hund oder Pflegehund stehenden Fußes in einen Windhundauslauf zu rennen, sollte es im eigenen Interesse – und vor allem in dem des Hundes – sein, dass Hund und Mensch sich erst einmal vernünftig kennen lernen und den Grundstein für eine vertrauensvolle Bindung aufbauen.

Völlig unverantwortlich ist es, wenn Welpen und noch junge Junghunde zeitgleich mit allen anderen Hunden auf den Windhundauslauf zugelassen werden. Nicht alle erwachsenen Hunde mögen Welpen oder unkoordinierte Junghunde und aufgrund Ihres Alters und Unerfahrenheit sind sie besonders gefährdete Opfer für Mobbing und Hetzjagden. Die Devise „Ein Mal ist kein Mal“ gilt hier nicht! Ein negatives Erlebnis als Opfer einer Mobbingattacke oder eine Hetzjagd kann für einen Hund vollkommen ausreichend sein, um ihn für lange Zeit oder auch für immer zu traumatisieren.
Zudem sollte immer bedacht werden, dass Mobbing und Hetzjagden nicht nur für die Opfer Konsequenzen haben, sondern auch für die „Täter“! Da Mobbing (Aggressionsverhalten) und Hetzjagden (Jagdverhalten) immer ein selbstbelohnendes Verhalten zeigt, bedeutet dies für die ausführenden Hunde „learning by doing“: Mobben und Hetzen von Artgenossen macht richtig Spaß, bringt Erfolg und es lohnt sich dies morgen wieder zu tun. Hund fühlt sich stärker (in einer Gruppe sowieso) und er hat auch noch richtig Fun auf der Wiese – wieder was gelernt! Da Mobbing immer auch ein gruppendynamischer Prozess ist, gucken sich die anderen Hunde im Auslauf dieses Verhalten gerne voneinander ab und schneller als man gucken kann mobbt der eigene Hund fröhlich mit.

Mir erscheint immer mehr, daß die Windhundausläufe gerne als „narrenfreie“ Zone angesehen werden, wo sich der – vielleicht ansonsten immer angeleinte – Windhund oder Podenco mal so „richtig auslassen“ kann. Doch auch wenn sich ein solcher Auslauf auf einem eingezäunten Grundstück befindet und die sich dort befindenden Hunde zwar nicht weglaufen können, entbindet es den jeweiligen Hundebesitzer nicht von seiner Verantwortung seine/n Hund/e in einem gewissen Umfang zu erziehen um diese/n gerade auch in gruppendynamischen Prozessen gegebenenfalls zurückrufen zu können, bzw. dieses Verhalten schon vorher zu unterbinden oder bestimmte Hundekontakte zu regeln. Denn grenzenlose Freiheit mit Artgenossen bedeutet nicht zwangsläufig gute Sozialisation für den jeweiligen Hund! Auch Freiheit und Sozialverhalten unter Hunden will gelernt sein – und muß in manchen Fällen auch geführt werden. Und nicht für jeden Windhund oder Podenco ist eine großes Aufkommen von Artgenossen auf begrenztem Raum angenehm oder gar förderlich! Auch hier gibt es – wie bei allen anderen Hunderassen ebenfalls – Einzelgänger, Hunde die unverträglich mit Artgenossen und schlecht sozialisiert sind ( ja, ja auch bei den angeblich so aggressionsfreien Windhunden und Podencos kommt das vor …), oder in ihrem Vorleben schlechte Erfahrungen gemacht haben. Solche Hunde brauchen in erster Linie Sicherheit und vor allem positive Erfahrungen und kein Russisches Roulette mit Fremdhunden, die der Halter vielleicht selbst nicht mal kennt und einschätzen kann.

So stellt sich die Frage: Sind denn Windhund-Ausläufe wirklich so hilfreich und nötig für diese Hunderassen? Oder ist es nicht vielleicht einerseits nur der (manchmal schon zwanghafte) Wunsch, dem eigenen Hund unsere vermenschlichte Idealvorstellung eines netten Zusammenseins mit ach so sozialen Artgenossen auf’s Auge zu drücken, als Ersatz, weil man einem Windhund und Podenco hier nicht wirklich gerecht wird? Oder andererseits eine bequeme Möglichkeit, erzieherische Arbeit und artgerechte Auslastung mit seinem Windhund oder Podenco zu umgehen? Die Argumentation, Windhunde und Podencos können sich auf einem Auslauf so wunderbar entfalten, da sie sonst nicht ableinbar seien, hinkt insofern, als dass man beobachten kann, dass sich die meisten Windhunde und Podencos nach mehreren Wochen auf einem solchen Auslauf kaum noch bewegen und eher gelangweilt sind. Und so kommen wir wieder zum Eingangsthema: Mobbing und Pöbeln ist dann natürlich erst recht eine willkommene Attraktion zum auf Dauer weniger interessanten und eventuell mehrfach wöchentlich besuchten Auslauf.

So bin ich inzwischen zu dem Fazit gekommen, dass ein gut geführter Windhundauslauf durchaus eine zusätzliche Bereicherung für manche Windhunde und Podencos sein kann, aber noch lange nicht für jeden der Hunde das Richtige ist, es die Erziehung des eigenen Hundes nicht ersetzt und der Halter am Törchen zum Auslauf auch nicht die Eigenverantwortung abgibt und last but not least ich es sehr bedauerlich finde, wenn der Windhundauslauf als Dauerreinrichtung die einzige Form der „Freiheit“ und Beschäftigung für manche Windhunde oder Podencos sein sollte.

 

Wichtige Voraussetzungen für einen gut geführten Windhundauslauf sind:

 

– Eine gewissenhafte und erfahrenen Aufsichtsperson, die in kritischen Momenten souverän eingreift

– Platzregeln, welche auch von den jeweiligen Teilnehmern eingehalten werden (ggf. Maulkorbpflicht)

– Eine überschaubare Anzahl von Hunden

– Sofortiges Unterbinden von Mobbingsituationen

– Vor dem ersten Besuch mit seinem Hund den jeweiligen Ansprechpartner kontaktieren und sich den Auslauf vor der ersten Teilnahme ohne den eigenen Hund ansehen
Für sehr unsichere, ängstliche und noch sehr junge Hunde sollte es einen gesonderten Zeitpunkt für den Auslauf geben, damit diese keine schlechten Erfahrungen machen.

 

WELPEN und Hunde, die gerade neu in ihrem Zuhause angekommen und noch i.d.R. sehr unsicher sind und keinerlei Bindung zu ihrem Besitzer aufgebaut haben, gehören in den ersten Wochen/Monaten NICHT auf einen Windhundauslauf!

 

 

Text: © Kathrin Korthauer

HOUNDS – Die Hundeschule
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www.hounds-die-hundeschule .de

 


Das Team von ProGreyhound bedankt sich bei Frau Kathrin Korthauer für die Zusage zur Übernahme dieses Textes!

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